Autoreninterview mit Anne Jacobs

© Autorenfoto: Fotostudio Marlies GbR

Anne Jacobs veröffentlichte unter anderem Namen bereits historische Romane und exotische Sagas. Mit »Die Tuchvilla« gestaltete sie ein Familienschicksal vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte und stürmte damit die Bestsellerliste. Nach ihrer ebenfalls sehr erfolgreichen Trilogie um »Das Gutshaus«, die von einem alten herrschaftlichen Gutshof in Mecklenburg-Vorpommern und vom Schicksal seiner Bewohner in bewegten Zeiten erzählt, legt Anne Jacobs nun fünften Band der »Tuchvilla«-Saga vor.


Stellen Sie sich bitte in drei Sätzen kurz den Leser*innen vor:

Ich bin Schriftstellerin und lebe in einem kleinen Ort im Taunus. Seit über zwanzig Jahren veröffentliche ich Romane und Kurzgeschichten. Dass es mir gelungen ist, meine Leidenschaft für das Schreiben zu meinem Brotberuf zu machen, halt ich für ein großes Glück.

 

Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?

Ich beginne am Nachmittag mit den Vorbereitungen, plane das nächste Kapitel, recherchiere das eine oder andere und setze mich gegen 18 Uhr an den Computer um zu schreiben. Das kann bis ein oder zwei Uhr in der Nacht gehen.

 

Die Tuchvilla-Saga hat bis heute fünf Bände. Woher kam die Inspiration dazu?

Sehr prosaisch. Mein Agent fragte, ob ich nicht Lust hätte, eine Familiengeschichte zu schreiben. Ich fand diese Idee spannend und habe daraufhin angefangen, mir eine Geschichte zu überlegen. Eine Fabrik sollte vorkommen, dann die dazugehörige Villa, die wohlhabende Fabrikantenfamilie und ihre Angestellten. Schließlich das Küchenmädchen, das ein Familiengeheimnis zutage bringt. So kam eines zum anderen.

 

Jeder Band wird einer historischen Epoche zugeordnet. War es schwer sich in die unterschiedlichsten Momente, Ereignisse (hier besonders erster und zweiter Weltkrieg) und wahren Personen hineinzuarbeiten?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich immer für Geschichte interessiert und liebe es, mich in eine Epoche „hineinzulesen“. Da ich ein spät geborenes Kind meiner Eltern bin, konnte ich zusätzlich viele Schilderungen und Ansichten meiner Familie in die Romane hineinnehmen und auf diese Weise trockenes Geschichtswissen durch meine Protagonisten lebendig werden lassen.

 

Die Reihe spielt in Augsburg. Sie selber leben im Taunus. Weshalb haben Sie sich Augsburg als Setting ausgesucht, anstatt eine hessischen Stadt?

Tatsächlich wollte ich die Geschichte zunächst in Kassel spielen lassen, da mein Vater Kasselaner war. Doch dort war hauptsächlich Schwerindustrie zuhause und ich zog es vor, eine Textilfabrik zu beschreiben, also suchte ich eine Stadt, in der es viele Textilfabriken gegeben hat. Die Wahl fiel auf Augsburg, das ich von einigen Besuchen schon ein wenig kannte – eine Stadt, die mir sehr gefallen hat und die ich gern als Setting für meine Geschichte nahm.

 

Im Laufe der Reihe kommen immer mehr Personen in die Storyline hinzu. Welcher Charakter gefällt Ihnen am meisten, welcher nicht?

Schwer zu sagen. Eigentlich mag ich alle meine Protagonisten, auch die miesen Charaktere, denn wenn ich sie nicht liebe, können sie nicht lebendig werden.

 

Welche Charakter war am schwierigsten / einfachsten zu entwickeln?

Es ist schwieriger, positive Charaktere zu entwickeln, weil sie immer in Gefahr sind, langweilig zu werden. Deshalb versuche ich, auch den sympathischen Figuren ein paar schlechte Neigungen zuzuordnen. Wir sind allesamt Menschen, niemand ist vollkommen, mancher ist aber gerade wegen dem einen oder anderen Fehler sympathisch. Mieslinge zu entwickeln ist dagegen nicht schwer, es macht sogar Spaß, ich muss dabei jedoch immer aufpassen, dass ich nicht übertreibe und die Figur zur Karikatur wird.

 

Nahmen Sie für die Entwicklung der Personen Familie und Freunde als Inspiration?

Das kann passieren. Es ist jedoch niemals 1 zu 1 sondern immer eine Mischung als vielen Eindrücken.

 

Welche Szene in der Reihe ist ihre Lieblingsszene?

Eigentlich habe ich keine besondere Lieblingsszene. Es gefiel mir, die Schrecken des 1. Weltkriegs mit den Augen des armen Humbert zu sehen, der als Soldat eine recht unglückliche Figur macht. Das hat skurrile Züge, war jedoch leichter, als die vielen schrecklichen Dinge zu schildern, die ich in der Sekundärliteratur fand.

 

Letzte Frage zu der Tuchvillareihe: Aktuell ist der fünfte Band zeitgeschichtlich kurz vor dem zweiten Weltkrieg. Aus diesem Grund kommt die Frage auf, ob es weitere Bände zu Tuchvilla-Saga geben wird?

Der sechste Band ist schon geschrieben, er spielt während des zweiten Weltkriegs und endet im Sommer 1945.

 

Noch ein paar Fragen zu Ihnen. Haben Sie ein Lebensmotto?

Ich nehme die Dinge, so wie sie kommen und versuchte, das Beste daraus zu machen.

 

Welche Hobbies haben Sie persönlich?

Meine Hündin Cassy, die ein rumänischer Straßenhund ist. Ich mag alte Möbel und kaufe gern hübsche Klamotten ein. Ich arbeite ehrenamtlich in einem Weltladen, wo Fairtrade-Waren verkauft werden.

 

Ihr Lieblingsbuch,-autor und -verlag:

Ich liebe die Bücher von Kent Harun. Außerdem bin ich ein Fan von Marten’t Hart („Der Nachtstimmer“, erschienen bei Piper) weil er so wundervoll skurril schreibt. Gefallen hat mir auch „Reise nach Maine“ von Matthias Nawrat, wo es um eine nicht ganz einfache Mutter-Sohn Beziehung geht. Erschienen bei Rowohlt.

 

Möchten Sie noch ein paar Worte an Ihre Leser*innen schreiben?

Ich wünsche Ihnen, meine lieben Leser*innen, viele frohe Stunden mit einer spannenden, angenehmen, herzzerreißenden oder beglückenden Lektüre. Sind nicht diese Phantasiereisen unserer Hirne ungeheuer kostbare Momente des Lebens? Und dabei sind sie so einfach zu beschaffen: ein gutes Buch, ein warmes Plätzchen am Fenster und vielleicht noch eine Tasse Tee. Mehr braucht es nicht.

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